IDEA: Hessen-Nassau: Kirche trennt sich von „Kneipenpastor“
IDEA: Hessen-Nassau: Kirche trennt sich von „Kneipenpastor“

IDEA: Hessen-Nassau: Kirche trennt sich von „Kneipenpastor“

Das Original ist hier: https://www.idea.de/artikel/hessen-nassau-kirche-trennt-sich-von-kneipenpastor

 

FREI-/KIRCHEN

Hessen-Nassau: Kirche trennt sich von „Kneipenpastor“

Titus Schlagowsky ist bekannt als der Kneipen-Pastor. Foto: SCM Hänssler
Titus Schlagowsky ist bekannt als der Kneipen-Pastor. Foto: SCM Hänssler

Nastätten/Mainz (IDEA) – Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) trennt sich von ihrem „Kneipenpastor“, dem Prädikanten Titus Schlagowsky aus Nastätten. Der Propst für Rheinhessen und Nassauer Land, Klaus-Volker Schütz (Mainz), und die zuständige Dekanin Renate Weigel (Bad Ems) informierten den 52-Jährigen darüber, dass sein Dienstauftrag am 3. September auslaufe und ein neuer Auftrag nicht erteilt werde.

Sie werfen Schlagowsky vor, „eigene Überzeugungen in das Gewand des Glaubens“ zu kleiden, für eine kritische Selbstreflexion nicht offen zu sein, keine kollegialen Absprachen zu treffen und Respekt in der Zusammenarbeit mit anderen vermissen zu lassen. Ein Prädikant darf als offiziell von der Kirche beauftragter Laie predigen und Amtshandlungen vollziehen.

Zum „Kneipenpastor“ wurde Schlagowsky durch die Corona-Pandemie. Wie er der Evangelischen Nachrichtenagentur IDEA sagte, konnte er wegen des Besuchsverbots in Einrichtungen mit Behinderten nicht predigen. Mit Freunden sei er auf die Idee gekommen, in der Kneipe seiner Ehefrau samstags einen Kurzgottesdienst aufzuzeichnen und ihn dann in den Einrichtungen zu zeigen. Diese Kneipengottesdienste habe er beibehalten, auch als Präsenzgottesdienste wieder möglich wurden. Sie würden gut angenommen. Über 100 Gottesdienste und Andachten sind bisher im Internet auf YouTube zu sehen.

Zudem hat er über seinen Weg mit Gott das Buch geschrieben „Der Kneipenpastor“ (SCM Hänssler) geschrieben.

Gemeindevorstand beschwerte sich bei der Kirchenleitung

Schlagowsky hält die Begründung für das Ende seiner Beauftragung für vorgeschoben. Seine Predigten in Nastätten und Umgebung seien auf Zustimmung gestoßen, auch bei Menschen, die sonst eher kirchendistanziert seien.

Erst nachdem im Juni 2020 das neue Pfarrerehepaar Constanze und Christopher Reif seinen Dienst angetreten habe, sei seine Tätigkeit auf Kritik gestoßen, unter anderem auch deshalb, weil er bei seinen Predigten nicht die für Prädikanten empfohlene Kleidung trage. Ausschlaggebend war nach seinen Worten letztlich eine Veranstaltung an Heiligabend 2021. Wegen der Corona-Pandemie habe es offiziell nur Online-Gottesdienste gegeben. Er habe dagegen vor der Kneipe zu einer Andacht unter freiem Himmel eingeladen – mit etwa 70 Besuchern. Noch am selben Tag habe ihn ein Brief des Gemeindevorstandes erreicht mit dem Hinweis, dass man sich über ihn bei der Kirchenleitung beschwert habe. Der Prädikant: „Dann wurde die ganz große Keule rausgeholt.“

Die Entscheidung der EKHN hat Kritik hervorgerufen. Auf der Internetseite (derkneipenpastor.de) dokumentiert Schlagwosky zahlreiche E-Mails und Einträge in den Sozialen Medien, die sich für seinen Verbleib als Prädikant aussprechen.

Was die EKHN sagt

EKHN-Pressesprecher Volker Rahn (Darmstadt) sagte IDEA, bei dem Beschluss gehe es nur darum, dass Schlagowsky künftig nicht mehr im Dienst und Auftrag der Kirche tätig sein könne: „Hier wird niemandem eine gottesdienstliche Tätigkeit oder das Christsein grundsätzlich verwehrt.“

Das Prädikantengesetz regele „klipp und klar“, dass die Berufenen an die Ordnungen der jeweiligen Kirchengemeinde gebunden seien. Wenn man sich „beharrlich“ darüber hinwegsetze, könne die Beauftragung widerrufen werden. Rahn: „Selbstverständlich darf Herr Schlagowsky seinen Glauben leben, ihn bekennen und mit anderen feiern.“

Hinter Gittern fand er zum Glauben zurück

Der Betroffene ist Schreinermeister und stammt aus Sachsen. Nach der Friedlichen Revolution zog er in den Westen und gründete eine Firma. Weil das Geld oft knapp war, bezahlte er seine Mitarbeiter in bar. Deshalb erhielt er wegen Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Zwei Jahre war er im Gefängnis. Dort hat er nach eigenen Angaben wieder zum christlichen Glauben zurückgefunden. Anschließend habe er die Ausbildung zum Prädikanten gemacht.

In den vergangenen fünf Jahren habe er 380 Gottesdienste, Taufen und Beerdigungen gehalten. Er habe dabei immer auf die ihm zustehende Aufwandsentschädigung verzichtet oder sie in die Gemeindearbeit zurückfließen lassen.

Verkündigung ist „die geilste Sache der Welt“

Schlagowsky will weiter das Wort Gottes verkündigen. Das sei für ihn „die geilste Sache der Welt“. Er wisse, dass er mit seiner Art der Verkündigung der EKHN ein Dorn im Auge sei. Doch er werde sich von ihr durch einen Verwaltungsakt dabei nicht einschränken lassen.

Inzwischen plant Schlagowsky ein neues Projekt: Er hat einen ausrangierten Linienbus gekauft, den er zu einer rollenden Kirche ausbauen will. Ihn störe, dass die Kirche in immer mehr Dörfern ihre Tätigkeit aufgibt. Genau diese Dörfer wolle er ansteuern und dort mit den Einwohnern Gottesdienste feiern.

IDEA druckte 2021 im SPEZIAL „Buchjournal“ einen Auszug aus dem Buch „Der Kneipenpastor“ (SCM Hänssler). Der Auszug kann hier nachgelesen werden.

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